Gestern Abend habe ich Spaghetti gemacht. Zum 1. Mal, seit du tot bist. Ich hatte Angst davor, vor jedem Griff. Dann doch Knoblauch und Salbei und Peperoni geschnitten. Wasser aufgesetzt. Spaghetti herausgenommen. Wie viele? Hab ja immer für dich mitgekocht. Was du Nudeln und Reis und Kartoffeln geliebt hast; abends, wenn ich gegessen hatte, und ein bisschen noch für den nächsten Tag als Zugabe. Kartoffeln mochtest du in den letzten Wochen nur noch abends, die Reste am nächsten Tag hast du verschmäht. Brot hast du geliebt bis zum Schluss. Ein halbes Brötchen. In die Luft geworfen. Es wieder ins Maul genommen. Hin und her gerannt damit. Jammernd mit deinem halben Brötchen vor mir gestanden und mich angestarrt. In die Küche gerannt, zu mir zurück. Auf deine Decke vorm Regal. Es vor dich gelegt und angesehen. Wieder jammernd aufgesprungen. Ess mal die Scheiße. Ja ess das mal auf!
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Du unfassbarer kleiner Hund. Bringst mich zum Lachen, selbst jetzt noch. Versteh einer meinen Mogli.
Pfännchen mit Butter. Du hättest mich beobachtet, bei jedem Handgriff. Parmesan fehlt, habe ich zu kaufen vergessen. Mit meinem Tablett und Essen mich ins Bett gesetzt. Jeden Schritt hättest du begleitet. Und mich gespannt angesehen. Bei der kleinsten Regung, von der du geahnt hättest, es geht wieder in die Küche, wärst du aufgesprungen. Um mich herumgerannt. Aber vorsichtig, ich sollte ja nicht stolpern, sondern dir endlich DEINS zukommen lassen. Das hast du überglücklich verschlungen. Überglücklich ist ein schwaches Wort für DEIN Glück. Vielleicht wegen des vielen Mangels in deinem ersten Jahr?
Gerade war der Bote da, der mir Lebensmittel gebracht hat, habe ich mir irgendwann angewöhnt, weil ich die Mineralwasserkästen viel zu schwer fand. Früher bist du immer mit mir zur Tür, wenn es geklingelt hat, hast hinter mir gestanden und gewedelt. In den letzten Monaten hast du es wohl nicht mehr richtig gehört, war dir vielleicht ja auch nicht mehr so wichtig?
Öffne die Tür, während ich auf ihn warte. Links neben mir deine Halsbänder und Leine. Vor mir die Fußmatte mit deinen Haaren drauf. Hab ich immer mal gesammelt und weggeworfen. Irgendwann vor ein paar Tagen habe ich überlegt, dass ich die Matte wegwerfen muss. Keine Ahnung, wo der Gedanke herkam und wo er geblieben ist. Mir auch überlegt, dass der Mann, der das Treppenhaus putzt, sich sicher wundert, weil da keine Haare mehr sind. Angst gehabt, ihm zu begegnen. Dann ist mir eingefallen, dass er immer Montag mittags kommt, wir haben ihn oft getroffen, wenn wir rausgegangen oder wieder reingekommen sind. Ich muss ja nicht mehr raus zu einer bestimmten Zeit, Montag oder welchen Mittag immer.
Während ich auf den Boten warte, habe ich Angst, dass die Tür gegenüber aufgeht. Ich würde sofort weinen, wenn ich die Nachbarin sehe, noch bevor sie ein Wort sagt. Bin froh, dass die Tür zubleibt. Bin froh, als der Bote gegangen ist und ich meine Tür geschlossen habe. Traurig, schon wieder ohne dich zu sein. Traurig, dass ich nun immer ohne dich sein werde. Das Tässchen mit deinen Haaren habe ich zur Seite gestellt. Kann es manchmal nicht ansehen. Kann auch manchmal manche Bilder nicht sehen, weil die Trauer dann so überbordend ist. Und doch schlagen wir auch da dem Schicksal immer noch ein Schnippchen, du und ich: Gerade bemerkt, dass ein Haar von mir zu deinem Haaren gefunden hat, keine Ahnung, wann und wie. Hängt nun frech über dem Rand des Tässchens. Und neben mir der kleine Forsythienzweig blüht, und neben dir blühen viele. Du fehlst mir so sehr, mein kleiner Schatz.