So, mein kleiner Spatz, alles erledigt, und nun bin ich ganz für dich da. Ja, ich weiß, dass du weißt, dass ich einfach so bin, wir und unsere Rituale 😘

Jedes Mal, wenn ich den Computer hochfahre, liegst du da und guckst mich an. Aufmerksam und nachdenklich. Habe einige Icons gelöscht und alle anderen so verschoben, dass nichts dein kleines Gesichtchen verdecken kann. Sollst es auch auf meinem Bildschirm so bequem haben, wie es irgend geht.
Eigentlich bist du keine Fellnase, eher Knopfaugen und eine Knopfnase. Ich finde SO SCHADE, dass ich nie ein Foto gemacht habe, wenn du vor Gs Küchentür gestanden bist, wenn die nur einen Spalt geöffnet war. Einfach eine kleine Nase und es war klar, dahinter hängt der ganze Hund. Muss lächeln, sehe dich vor mir. Wieso hast du eigentlich nie verstanden, dass deine 13 kg allemal gereicht hätten, die Tür aufzuschieben? 12,9 kg. Mit Geräuschen und mit Fressen in der Hand habe ich dich vom Tisch aus gelockt, ein bisschen weiß hinter der Knopfnase am Türspalt, dann wieder zurück, dann wieder vor. Wieder locken. Knopfnase, weiß, zurück, vor. Nach ganz viel locken hast du dann endlich die Tür aufgeschoben und strahlend das Leckerli abgeholt. Und beim nächsten Mal von vorn: Tür, Knopfnase, weiß, locken. Und wieder. Und wieder.
Ach, mein Mogli, du fehlst. Sitze nun wieder alleine in meiner Wohnung. In unserer Wohnung. Neben mir in einer kleinen Vase ein kleiner Zweig von der Forsythie neben deinem Grab, den ich mitgenommen habe, als wir vorhin bei dir waren. Haben alte Blumen weggenommen, den Weg davor gefegt, Erde gerecht und fest geklopft. Eine Umrandung soll ich erst in 3 Monaten oder so holen, wenn der erste große Regen durch ist, sagte die Tochter des Friedhofsmanns. Ein dickes Eichhörnchen, dass frech hinter dir herumgehüpft ist, du wärst außer dir gewesen, normalerweise. Was ist jetzt schon normal.

Das Schlangenköpfchen hat schon zu wachsen begonnen. Während du zu zerfallen beginnst, war der Gedanke danach. Wollte ihn gar nicht schreiben. Wollte ihn gar nicht haben. Habe ihn geschrieben. Tut weh. Ich habe dir versprochen, dass ich diesen ganzen Weg mit dir gehe, wie furchtbar schwer er auch ist. Jule habe ich im Arm gehalten, als sie gestorben ist, aber nicht mehr anfassen und nicht mehr ansehen können, als sie tot war. Ich hatte so eine Angst vor Tod. Vor ihrem Tod. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals wieder einen Hund so lieben würde wie sie. Heute weiß ich, dass ich nie einen Hund geliebt habe wie dich. Ich weiß gar nicht, ob ich so bedingungslos überhaupt je habe lieben können, wie ich dich geliebt habe. Mein kleiner Lebensretter. Mein kleiner Geretteter. Nun warst du nicht mehr zu retten. Ich musste so furchtbare Entscheidungen treffen und so furchtbare Dinge tun. Ich habe sie getroffen und getan. Du hattest/ich hatte keine Wahl mehr. Ersticken solltest du nicht. Habe dich weiter im Arm gehalten, als du tot warst. Habe ein letztes Foto von dir gemacht. Kann ich nur manchmal ansehen. Habe es von den anderen Fotos wegsortiert. Das ist nur für dich und mich. Nein, es ist von mir von dir für mich. Und es ist nur für dich und mich.
Ich werde dich weiter begleiten, so, wie es jetzt eben nur noch geht. Vorhin habe ich gesehen, dass das Schlangenköpfchen August bis Oktober blüht. Die Forsythie März bis Mai. Und es gibt eine Rhododendronart, die Februar bis April blüht. Wenn ich das nächste Mal zu dir fahre, bringe ich dir einen Wiesenstrauß mit, letzte Woche hat der Bauer gegenüber seinen Stand wieder aufgemacht. Was waren wir da oft zusammen. Für mich kann ich im Moment noch keine Blumen kaufen. Eigentlich lächle ich IMMER, wenn ich Blumen ansehe. Nein, stimmt im Moment nicht. Eigentlich habe ich immer gelächelt, wenn ich Blumen angesehen habe. Habe mir oft große Sträuße geholt, Wiesenblumen oder gelbe, alle nur denkbaren Sorten, oder bunte, alle nur denkbaren Sorten. Und sie angelächelt, wenn ich vom Computer rübergeguckt habe. Und dich, wenn ich dich angeguckt habe. Werde mir immer, wenn ich bei dir bin, einen ganz kleinen Zweig mitnehmen und neben mich stellen. Und dir eine Bademarke mitbringen und ins Grab stecken, bis sie alle sind.
Stimmt, irgendwann vorhin ist mir eingefallen, dass ich im Nachhinein nicht nur verstanden habe, wieso du nun schon recht in die Jahre gekommener Ehemann mir bis aufs Klo nachgekommen bist, sondern auch, warum du es zuvor nicht wolltest. Klo und Bad waren Scheiße, weil wir irgendwann versucht hatten, dich dort drinnen zu waschen, weil du gestunken hast wie ein komplettes Hausschweinchen nach einem zu spät erkannten Kotbad. Dann habe ich entdeckt, dass es Hundewaschstraßen gibt, und wir haben am Ende eine gefunden, die eher ok war, wenn auch ein bisschen überrumpelnd: Bist brav hochgelaufen, Klappe zu, dich mit vielen Worten und Liebkosungen gesäubert, dann nix als Schütteln und ab ins Feld in der Nähe. Haben wir schon länger nicht mehr gebraucht, und jetzt liegen die hier und ich bring sie dir eben mit. Auch einen Glückscent. Frau weiß ja nie. Siehst du, jetzt lächle ich schon wieder, meine kleine Bestie.

Vorhin ist mir auch eingefallen, dass ich dir unfassbar viele Kosenamen gegeben habe: kleine Bestie, Wildschweinchen, Knopfauge, Markierprinz, Schaukelpferdchen. Mein kleiner Engel. Und was du zärtlich warst. Und dass ich, wenn ich aufhöre zu schreiben und an dich zu denken, wieder alleine in dieser stillen Wohnung sitzen werde. Bleischwer. Und weiter an dich denken werde. Hier ist alles noch, wie es war. Bloß du bist nicht mehr da.