So viele Gedanken und Gefühle. Hätte mir NIE vorstellen können, wie leer und leise die Wohnung ohne dich ist. Geschirr gewaschen. Wie laut das ist. Meist hast du dabei neben mir in der Küche gelegen. Warst ja nicht laut, ich war einfach nicht aufmerksam für diese Geschirrwaschgeräusche. In den letzten Monaten bist du mir manchmal in die Dusche bis vors Klo nachgekommen, hast du früher nie gemacht. Hattest nie Lust auf den Duschraum. Keine Ahnung, warum. Keine Ahnung, warum das anders wurde. Deine Decken, alle noch hier im Raum, vor meinem Bett. Du hattest geheime Deckenregeln, überhaupt haben wir beide Rituale geliebt. Lange hast du vor meinem Bett auf der Decke geschlafen, manchmal auch in meinem Bett.

Nach dem Morgenspaziergang hast du dich meist unter den Tisch vor meine Füße gelegt, während ich über dir am Computer gearbeitet habe. Nachmittags und abends warst du meist auf der Decke vorm Regal, links von mir. Dann wieder vor meinem Bett.
Wenn ich sauber mache, werde ich Haare von dir zusammenfegen, in den Ecken sind sicher noch viele. Werden nie mehr welche sein, danach. Neben mir die kleine Tasse mit den Haaren vorm letzten Katheder, die mir geblieben sind. Die bleiben werden. Alles so unfassbar.
Eigentlich haben wir uns gegenseitig das Leben gerettet, vor vielen Jahren, ich dir und du mir.
"Rüde 2 wurde zusammen mit 80 bis 90 weiteren Hunden in einem Kaninchenstall in einer dunklen Scheune gehalten. Den Lärm in dieser Scheune, wenn 90 Hunde auf einmal um Aufmerksamkeit bellen, können sie sich nicht vorstellen. Dieser arme Hund war bereits so gestresst, dass er bis auf die Knochen abgemagert nur noch im Kreis lief."

Rüde 2 hast du da noch geheißen. Ein Jahr und 29 Tage hast du so gelebt. Ein Jahr und 29 Tage! Dann bist du über eine Patenschaft in ein deutsches Tierheim gekommen, ich habe dich im Internet gesehen, angerufen, bin ins Auto gesprungen, 130 km gefahren. Lächle, wenn ich an unsere erste Begegnung dort denke, du warst ein komplett durchgeknallter ganz magerer kleiner Kerl. Und ich war eine ganz traurige magere Frau, nach vielen Jahren Ehe alleine und wusste nicht, wie ich überleben sollte.
Leben haben wir beide uns geschenkt. Ok, manchmal hast du mich wie eine Ehefrau behandelt und hast den Geliebten - meinem Mann, meinen Freundinnen - viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt als mir. Wärst mit jedem und jeder mitgegangen. Ich habe dir dann laut vorgerechnet, wie oft ich dir Futter gemacht und wie viele Kotbeutelchen ich für dich gefüllt habe. War immer augenzwinkernd, ich wusste, was du das Leben und die Menschen und die Hunde liebst, was du freundlich und zärtlich und neugierig warst. Dass wir zwei zusammengehörten, war eh klar.

Du hast kein einziges Mal gebellt, wenn es geklingelt hat, sondern hast gespannt und froh gewartet, wer kommt. Nicht mehr im letzten Jahr, dein Gehör war schlecht geworden und wohl auch deine Aufmerksamkeit für die potenziellen Geliebten. Bei den alten Herren werden dann doch die Ehefrauen wieder die Mitte der Welt, da stellt man sich schon mal vors Klo vor Sehnsucht. Vielleicht doch eine kleine Ahnung, warum das anders geworden ist.
Dieses Bild habe ich immer so sehr geliebt. Und lächle auch jetzt, wenn ich es sehe, auch wenn ich weine.
